Olympiakos Piräus – Werder Bremen

Kurz vor fünf Uhr nachmittags, rund ums Stadion Georgios Karaiskakis reiht sich bereits eine Souvlaki-Bude an die nächste. Rauch steigt auf von den kleinen Grills, das Knattern der Stromgeneratoren übertönt den Lärm von der nahen Hauptstraße.


Die Wege rund ums Stadion sind nahezu menschenleer, eine kleine Gruppe Werder-Fans in grünen Trikots steht etwas verloren zwischen Verkaufsständen mit rot-weißen Devotionalien der Heimmannschaft. Von den berühmt-berüchtigten griechischen Fans noch nichts zu sehen weit und breit. Nur die Graffitis an der Hochstraße künden davon, in wessen Revier man sich hier befindet: Peristeri 7.
Das Stadion: eine dieser Neubauten, die genauso gut in Lissabon oder Hoffenheim stehen könnte. Viel Beton, aufstrebende Pfeiler und Träger. Nichts Typisches, nichts, das im Gedächtnis bleibt. Neben dem Vereinsmuseum reihen sich Läden: Sportschuhe, Mode, Handys. Außerdem der riesige Merchandise-Shop des OCFP. Muss man natürlich gesehen haben, schließlich gibt’s nur hier die echten gestrickten Match-Schals, nicht den billigen Schund aus Seide wie an den Ständen rund ums Stadion. Die eine Hälfte rot-weiß, die andere grün-weiß, mit den Daten der beiden Begegnungen der Champions-League-Gruppenphase. Dass die Griechen vor lauter Freude auch noch nachträglich das Hinspiel-Ergebnis (1:3) draufbügelten, ist verständlich, aus Bremer Sicht aber verzichtbar. Unterm Ladentisch findet sich noch ein Exemplar ohne die unschöne Ergänzung.

Beim Rundgang um die Arena landet man nach zwei Drittel des Wegs vor einem hohen Gatter. Durchgang nur für Teams, VIPs und andere Privilegierte. Keine Chance, das Stadion ganz zu umwandern. Also zurück, vorbei an der Kurve der Heim-Fans. Die ersten versammeln sich um „ihren“ Eingang, das Gate 7. Noch fast vier Stunden bis zum Anpfiff, was mögen die hier schon wollen? Da klettert einer am noch unbewachten Tor hinauf, zwängt sich durch einen schmalen Spalt zwischen zwei Metallplatten hindurch und ist im Stadion verschwunden. Und gleich klettert der nächste hinterher. Jetzt ist klar, warum alle Aufgänge zu den Tribünen durch stählerne Drehtüren mit Kartenlesegeräten abgesperrt und wie gewaltige Raubtierkäfige gesichert sind. Wer kein Ticket mehr bekommen hat, sucht sich sonst seinen Weg.

Währenddessen sammelt sich vor dem Eingang der Gästefans die Polizei. Hat was von einem Familientreffen, wie sich die Kolleginnen und Kollegen da mit Küsschen links und rechts begrüßen, scherzen, lachen.

Noch knapp drei Stunden bis zum Anpfiff, da steht da dieser Grieche und fragt, ob man Werder-Fan sei. Klar. Er nämlich auch, und ob man denn nicht eine Karte übrig hätte? Oder wüsste, wie man an eine rankäme, für den Werder-Block natürlich. Zum Beweis zog er kurz seine Jacke auf, zeigte sein grünes Sweatshirt: Tatsächlich, ein Werder-Sympathisant aus Athen. Er sei eigentlich Panathinaikos-Fan, erklärt er, aber seit dem Spiel seiner Mannschaft in Bremen (6.12.2005, 5:1) drücke er auch den anderen Grün-Weißen die Daumen. Er war schon den ganzen Tag durch Athen gelaufen auf der Suche nach deutschen Fans, die vielleicht eine Karte übrig hätten. Einer hatte ihm auch seine Handy-Nummer gegeben, der wolle mal sehen, ob sich da was machen ließe. Ob man den nicht mal anrufen könne? Kein Problem, und tatsächlich, der Bremer am anderen Ende der Leitung hatte noch ein Ticket für den Athener aufgetrieben.

So wartete man nun gemeinsam aufs Spiel und die Ticketübergabe. Vor den Imbißbuden saßen griechische Fans, aßen und tranken. Doch alles ganz friedlich hier? Vielleicht doch nicht so schlimm mit den heißblütigen Fans von Olympiakos? Man hatte ja vorher so einiges gehört.

Zwei Stunden vor Anpfiff tauchte auch die Polizei wieder auf. Sah jetzt gar nicht mehr so nett aus, hatte Helme und Knüppel und Schutzschilde mitgebracht. Dass sie sich zwischen die wartenden Fanblöcke schoben, störte nicht. Sie blickten auf die OCFP-Fans, drehten den Bremern den Rücken zu. Immer mehr Grün-Weiße sammelten sich, und plötzlich hieß es, die Polizei ließe niemanden mehr auf die andere Seite der Absperrung. Gut, dass man den Rundgang schon lange absolviert hatte.

Inzwischen war auch das Ticket für den Athener angekommen und gemeinsam zog man ins Stadion. Durch eine der imposanten Drehtüren, die sich nur öffnete, wenn man die Eintrittskarte unters Lesegerät hielt. Im Inneren des Raubtierkäfigs dann Leibesvisitation. Alle Taschen auf, alles raus. Was das sei? Portemonnaie, Nasenspray, soso. Und lieber noch ein zweites Mal abtasten.

Die Treppe rauf, rein in den Block 127. Wieder Polizei, Helme, Knüppel, Schilde. Wo man denn hier die Zaunfahne hinhängen könne? Nicht hier unten, der Polizist weist auf die Galerie der Banner ganz oben unterm Dach. Also eben da oben. Der Athener hilft beim Festbinden, da stehen plötzlich ein paar Werder-Fans da und zupfen die Sympathisanten-Fahne wieder runter! „Das ist Hamburg, das hat hier nichts zu suchen!“. Sagt sogar der Fanbeauftragte, soso. Während man noch erklären will, wer die Sympathisanten sind und was es damit auf sich hat, ist das rot-weiß-schwarze Tuch wieder abgehängt. Ja, wenn es wenigstens grün-weiß wäre … Also lenkt man ein, will ja nicht noch Stress mit den eigenen Leuten.

Der Athener führt sich auch gleich gut ein, zupft eine grün-weiße Fahne aus der Tasche und zeigt sie Richtung Kurve der Heimfans: Panathinaikos, der Erzfeind in des Gegners Fanblock! Die Kurve heult auf, tausende Köpfe drehen sich zu den Bremern, blicken auf die kleine Fahne, schreien, wüten. Gut, dass da die Polizeikette steht, sonst hätte da mancher wohl gleich versucht, den Werder-Block zu stürmen. Aber zumindest war damit geklärt, wer hier wen nicht leiden kann. Als der Athener noch ein zweites Mal mit dem Tuch wedelte, rückten ihm die Helm-und-Schild-Träger auf den Pelz, drohten mit Festnahme, sollte er die Fahne noch mal zeigen. Ließ er dann auch stecken. Dass aber die Bremer Fans beim Einlaufen der Mannschaften auch noch ein Spruchband (sinngemäß: Grün regiert in Bremen, Athen und Europa) hochhielten, mag nicht zur Deeskelation beigetragen haben.

Vielleicht sahen die griechischen Supporter das aber gar nicht, denn im selben Moment flammten diverse bengalische Feuer in deren Kurve auf, Rauch hüllte die Tribüne ein. Ohrenbetäubende Sprechchöre der über 30000 Griechen, die wenigen hundert Bremer dringen nicht durch.

Anpfiff, Werder versucht nach vorn zu spielen. Hat auch mehr vom Spiel, aber keine zwingenden Torchancen. Immer, wenn sich ein Moment der Stille im Getose der griechischen Fans bietet, starten die wenigen Bremer ihre Anfeuerungsrufe. Jedes mal werden sie gnadenlos niedergepfiffen, schreit es ihnen zehntausendfach entgegen.

Nach 12 Minuten schießt Olympiakos auch mal aufs Tor. Das Ding haut ins rechte Eck. Drin, 0:1. Der Mob tobt, verhöhnt die Bremer Fans. Immerhin, Real führt schnell, vermeldet die Anzeigetafel. Würde ja für den UEFA-Cup reichen.

Mit dem Rückstand geht’s in die Pause, so schlecht war das Spiel ja nicht. Die Hoffnung bleibt. In Hälfte Zwei hat Werder die Riesenchance zum Ausgleich, der Ball wir gerade noch von der Linie geschlagen. Als Antwort schießen die Griechen noch zwei Tore, fast aus dem Nichts.

Auch das ungleiche Support-Duell geht jetzt klar an die Heimfans. Die Bremer recken nur noch trotzig ihre Schals in die Höhe, bis die Arme lahm werden. 0:3, das kann ja nicht wahr sein.

Um die Pleite richtig auskosten zu können, müssen die Bremer nach dem Spiel noch auf ihren Plätzen warten. Zwei Dutzend Olympiakos-Fans aus dem Nachbarblock nutzen die Gelegenheit, um die Grün-Weißen zu beschimpfen. Einer tut sich dabei besonders hervor, zeigt mit ausgestrecktem, rechten Arm, dass er wohl in Geschichte nicht aufgepasst hat. Als Flaschen in den Bremer Block geworfen werden, rücken die Beschützer mit den Helmen und Schilden vor, drängen die Rot-Weißen aus dem Stadion.

Zehn Minuten nach Mitternacht dürfen auch die deutschen Fans nach draußen. In einer langen Schlange, die immer wieder stockt und warten muss, leitet die Polizei die Gruppe an wartenden OPFC-Fans der unfreundlicheren Art vorbei Richtung Metro. Der Athener verabschiedet sich, will sehen, dass er heil zu seinem Motorrad kommt.

Und weil man auch nicht zur Metro will, stopft man den Werder-Schal in den Rucksack und entwischt zwischen zwei Polizisten Richtung Hauptstraße. Da fährt der Bus Richtung Hotel. Eben noch an der Bude eine Flasche Cola gekauft. Da brüllt einer von der Seite, irgendwas von den verdammten Deutschen, die man hier nicht wolle. Das sei hier Griechenland, da hätten die Deutschen nichts verloren. Alles auf Englisch, natürlich. Haß in den Augen, brüllt direkt ins Ohr und schlägt immer wieder mit der Faust in die flache Hand. Nichts wie weg hier, aber der Kerl läuft mit, immer nebenher, schreit. Verdammt Deutsche! Und brüllt, ob man ihn denn nicht verstehe! Lieber nichts sagen, einfach die Klappe halten, was sollte man auch machen, ganz allein. Wer weiß, ob der nicht noch ein paar Kumpels an der nächsten Ecke hatte? Da bleibt er plötzlich stehen, schimpft noch ein bisschen. Wurde ihm wohl zu blöd, dass man sich nicht mit ihm hauen wollte. Nichts wie rein ins nächste Taxi und weg.

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